Irakkrise

Kairo, Ägypten, am 04.04.2003

Nachdem die USA und Großbritannien am 20.03.2003 mit dem Angriff auf den Irak begonnen hatten, um das Land zu „befreien“, kam es am darauffolgendem Freitag, nach dem Gebet, zu gewalttätigen Demonstrationen. Die Demonstranten zogen von der El-Ashar Moschee zum Tahir Square in der Innenstadt, nahe dem ägyptische Museum und Nile Hilton Hotel, ca. 2 km von meinem Hotel entfernt. Dies war, mit ca. 15.000 Teilnehmern, die bis zu diesem Zeitpunkt größte Demonstration die Ägypten je gesehen hatte. Dies ist umso bemerkenswerter, da Ägypten auch nach Ende des 6 -Tagekrieges mit Israel 1973, weiterhin unter Kriegsrecht steht, wonach Demonstrationen verboten sind und Verstöße mit Gefängnis, ohne richterliche Anordnung, geahndet werden.

Auf dem Weg durch die Innenstadt, wurden Autos in Brand gesteckt und Restaurants und Geschäfte amerikanischer Ketten verwüstet. Ich war zu diesem Zeitpunkt im Büro und hatte die Ereignisse im Internet verfolgt. Auf der Fahrt zurück zum Hotel, gegen 16:00 Uhr, kamen wir am Tahir Square vorbei. Von den vorrangegangen Ereignissen war jedoch nicht mehr zu sehen.

Bis heute, fällt lediglich eine starke Polizeipräsenz in der Innenstadt und um die Kairoer Universität auf. Es ist ruhig. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Hass gegenüber Amerika und Israel immer größer wird. In diesem Zusammenhang ist es für mich befremdlich, mit welcher Offenheit ägyptischen Kollegen ihren Zorn unverhohlen aussprechen. Diese Region ist ein Pulverfass und ich hoffe, daß es ruhig bleibt.

Wie ich sicher erzählte, kenne ich in der Nähe des Hotels ein Geschäft (Leather Home, Gezira) für qualitativ hochwertige und doch preiswerte Lederkleidung, das ich auch meinen Kollegen weiterempfohlen hatte. Heute war einer meiner Kollegen dort, um eine weitere Bestellung aufzugeben. Mittlerweile sind wir / ich dort richtig gute Kunden,die mit man bislang mit Handschlag wie Freunde begrüßte. Ägypten ist, meiner Meinung nach, seit Beginn des 2. Golfkrieges touristisch tot, was den Amerikaner und Iraelis angelastet wird. In diesem Geschäft, das bislang durch uns sehr gut verdient hatte, werden wir in einen Topf mit den Amerikanern geworfen, die zum einem das Geschäft verderben, zum anderem einen Invasionskrieg um Ölresourcen führen. Es verwundert mich, wie schnell die Stimmung umschlägt. Ein andere Kollege berichtete mir, das sein Arzt, (Nachbehandlung wegen Knieoperation) der ihn regelmäßig behandelt, den Beschuss der Amerikaner, ernsthaft als Grund für die im März ungewöhnlich hohen Temperaturen (40°C) ansieht.

Ich selbst regiere insofern darauf, das ich die Zeit im Hotel oder im Büro verbringe. Freitag ist mein arbeitsfreier Tag, allerdings ist dies der wichtigste Gebetstag der Woche. Ich bin überzeugt davon, daß es keine gute Idee ist, draußen rumzulaufen.

Ich bin entsetzt wenn ich die Bilder aus dem Irak sehe. Für mich steht ohne jeden Zweifel fest, daß Saddam Hussein ein Verbrecher ist, der aus dem Amt gejagt gehört. Dies sollte allerdings durch die Iraker selbst geschehen. Mit welcher unglaubliche Arroganz sich George W. Bush, der im Zweifelsfall nicht mal wüsste wohin er eigentlich fliegen müsste, über die internationale Staatengemeinschaft und Meinung der Weltbevölkerung hinwegsetzt, stellt Ihn zusammen mit seinen Helfern auf die gleiche Stufe wie Saddam. Wie kann ein Staatspräsident von Demokratie und Menschenrechten sprechen, wenn der Preis Tausende Tote, Verwundete und Krüppel auf Seiten des irakischen Volkes sind, das den USA nichts getan hat? Ich sehe eine große Gefahr darin, das ein „Präventivkrieg“ nun gesellschaftsfähig geworden ist und andere Länder diesem Beispiel folgen könnten.

Kairo, Ägypten, am 11.04.2003

Nachdem die Streitkräfte Amerikas und Großbritanniens Bagdad eingenommen haben, und das ägyptische Fernsehen weniger Bilder von Kriegsopfern zeigt, könnte man annehmen das sich das Leben wieder beruhigt. Tatsächlich merke ich, das der Alltag sich wieder normalisiert und der Krieg nicht mehr Tagesgespräch ist.

Ich selbst würde mich heute wieder, wenn auch nicht überall, auf Besichtigungstour begeben. Allerdings gibt mir der Bericht eines Kollegen sehr zu denken: Demnach soll in der vergangenen Woche bei einem Gebet in der Al-Ashar Moschee, Selbstmordattentate als legitimes Mittel im Kampf gegen Besatzer gutgeheißen worden sein. Die Tatsache, das dies bekannt geworden ist, ohne jedoch von Konsequenzen für den Geistlichen gehört zu haben,  ist für mich ein Zeichen, das die Regierungen der arabischen Länder die größten Probleme mit ihren religiösen Führern haben. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was in dieser Region passiert, wenn die militärischen Aktionen auf Länder ausgeweitet werden, die Saddam Hussein unterstützt haben oder Asyl gewähren.  

 

Startseite Ägypten

Home